Es bewegt sich was im ländlichen Raum
Vom Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen in Sarow
Erscheinungsjahr: 2017
In den peripher-ländlichen Räumen Ostdeutschlands vollzieht sich ein rascher demografischer und struktureller Wandel – so auch im vorpommerschen Dorf Sarow. In den letzten 15 Jahren hat es 25?% seiner Einwohner_innen verloren, während sich der Anteil der über 65-Jährigen verdoppelte. Aufgrund des Bevölkerungsverlusts schließen in diesen Regionen technische und soziale Infrastrukturen, darunter auch Treffpunkte wie die letzte Kneipe. Der öffentliche Personennahverkehr wird reduziert, der motorisierte Individualverkehr nimmt zu. Alte Feldwege, einst genutzt von Fußgänger_innen und Fahrradfahrer_innen, verschwinden. Damit wird es insgesamt immer schwieriger, ohne eigenes Auto mobil zu sein und am sozialen und öffentlichen Leben teilzuhaben. In dieser jungen Demokratie betrifft es vor allem die Älteren, die in den Dörfern zurückgeblieben sind und mit der Wende in den frühen Ruhestand geschickt wurden. Diese Mischung aus demografischen und historischen Besonderheiten ist Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung zur Alltagsmobilität Älterer. In der Tat gibt es bereits eine Fülle von öffentlich finanzierten Forschungsprojekten und Lösungsansätzen. Jedoch wird die Umsetzung empfohlener Maßnahmen durch Gebiets- und Verwaltungsreformen gehemmt. Maßnahmen sind zudem uneffektiv, wenn lokales Wissen nicht genutzt wird und aktives bürgerschaftliches Engagement für die regionale Entwicklung fehlt. Die Beteiligung der Bevölkerung an Planungsprozessen ist zwar ausdrücklich erwünscht, doch sind angebotene Formate spärlich, den älteren Menschen fremd oder unzugänglich. Es entsteht, abgesehen von den Berichten der Lokalpresse, ein Informationsvakuum. Die vorliegende qualitative Fallstudie in Sarow fokussiert daher auf die Mobilitätsbedarfe und -probleme der älteren Bevölkerung, auf die lokalen Akteure und Ressourcen. Mittels problemzentrierter Interviews kristallisierten sich der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) und der Radverkehr als wesentliche Problembereiche heraus. [–]Besonders kritisch werden die Abhängigkeit von Dritten, die einseitige Ausrichtung des ÖPNV auf den Schülerverkehr und Sicherheitsaspekte gesehen. Diese Aussagen und Ergebnisse wurden um die Mobilitätsgeschichte des Ortes, Experteninterviews und Planungsanalysen ergänzt zu einer Bürgerausstellung aufbereitet. Als Form der Action Research lud sie zum Mitdiskutieren und zum Abgleich von Wünschen, Planung und Wirklichkeit ein. Daraus wurden Hinweise für eine verbesserte Regional Governance abgeleitet.