Einführung von medizintechnischen Innovationen im Krankenhaus

Eine systematische Analyse von 27 neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zwischen 2005 und 2017: Diffusion, Evidenz und Forschungsaktivitäten

Herausgeber: Reinhard Busse, Dimitra Panteli, Cornelia Henschke, Helene Eckardt

Umfang: 306 Seiten
Format: 21,0 x 29,7 cm
Erscheinungsjahr: 2023
ISBN 978-3-7983-3261-4

Die Anwendung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) im stationären Sektor bleibt auch nach der Einführung einer frühen Nutzenbewertung für bestimmte Medizinprodukte hoher Risikoklassen ein kontroverses Thema der gesundheitspolitischen Debatte. Es gilt eine Balance zu finden zwischen dem Zugang zu innovativen Methoden, der Sicherstellung des Nutzens sowie der Finanzierbarkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung. Schwächer ausgestaltete Zulassungskriterien für Medizinprodukte im Vergleich zu Arzneimitteln erfordern ein Nachsteuern, wenn es darum geht Medizinprodukte in der Regelversorgung anzuwenden. Das übergreifende Ziel der Studie ist, die Bedeutung wissenschaftlicher Evidenz bei der Einführung und Verbreitung von NUB in deutschen Krankenhäusern zu untersuchen. Aufbauend auf einer systematischen Vorgehensweise werden kriterienbasiert 27 versorgungsrelevante NUB identifiziert. Für diese werden die Entwicklungen der Evidenz hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit sowie die Entwicklung der Fallzahlen in anwendenden Krankenhäusern longitudinal (2005–2017) analysiert. Wissenschaftliche Publikationen werden systematisch identifiziert, selektiert und ausgewertet, um eine Übersicht zu schaffen, welche Evidenz zu welchem Zeitpunkt des Anwendungsgeschehens vorlag. Weitere Faktoren wie Finanzierungsänderungen und Sicherheitswarnungen werden in der Analyse berücksichtigt. Zudem werden die Versorgungs- und Forschungsaktivitäten deutscher Krankenhäuser erfasst und deskriptiv ausgewertet. Ein Zusammenhang zwischen Diffusion und Evidenzentwicklung kann für ca. die Hälfte der untersuchten Methoden vermutet werden. Für die restlichen Methoden ist entweder nicht genügend Evidenz vorhanden, sind die Fallzahlen zu gering, um einen Zusammenhang abzuleiten, oder die Fallzahl- und die Evidenzentwicklung weisen eine entgegengesetzte Richtung auf. In der Stichprobe dauert es von der Marktzulassung bis zur ersten Veröffentlichung der ersten Ergebnisse einer randomisiert klinischen Studie bis zu zehn Jahre. Ein robuster Evidenzkörper liegt für die Mehrheit der Methoden erst nach mehreren Jahren der Anwendung vor oder entsteht überhaupt nicht im betrachteten Zeitraum. Hin-sichtlich der Finanzierung bestätigt die Studie die Kenntnis, dass NUB mehrere Jahre in der Systematik zeitlich befristeter Entgelte verweilen, ohne dass ein Nutzen nachgewiesen ist. Die Notwendigkeit, jährlich NUB-Anträge für eine Finanzierung zu stellen, scheint kein Hindernis für eine zügige Diffusion einer Technologie zu sein. Trotz diverser Unterschiede zwischen den Methoden sind die Fallzahlen der Anwendungen von NUB in an Studien beteiligten Krankenhäusern (in der Regel große Häuser oder Universitätskliniken) im Allgemeinen höher im Vergleich zu den übrigen anwendenden Krankenhäusern, im Besonderen in den ersten Jahren der Anwendung. Gleichzeitig fallen jedoch Krankenhäuser auf, die neue Methoden basierend auf Hochrisikomedizinprodukten sehr selten anwenden, was wiederum Fragen hinsichtlich der Patientensicherheit und Behandlungsqualität in diesen Krankenhäusern hinsichtlich dieser NUB aufwirft. Insgesamt bleibt die Abwägung zwischen Innovationsförderung und evidenzbasierter Versorgung eine grundsätzliche Herausforderung. Unter Berücksichtigung aller methodischen Limitationen untermauern die Ergebnisse den Anstoß, das existierende Regelwerk des Verbotsvorbehalts im stationären Sektor zu hinterfragen und eine systematische Evidenzgenerierung in den Vordergrund zu rücken. Wesentlich ist hierbei eine Lösung, die die Wirksamkeit und Sicherheit der Methoden für PatientInnen in den Vordergrund rückt, aber auch einen Rahmen bietet, um eine systematische Evidenzgenerierung voranzutreiben.