Die Vision der UNO für die Zukunft der Welt : die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung
Erscheinungsjahr: 2015
Das Leitbild der Nachhaltigkeit hat durch den Post-2015-Agenda-Diskurs neue Aktualität erlangt, nachdem es zuvor verbreitet zu einer Leerformel ohne veränderungswirksamen Gehalt verkürzt und häufig zu einem Epitheton ornans abgewertet worden war.
In Regierung und Verwaltung sind das Verständnis und der Umgang mit dem Nachhaltigkeitsprinzip ambivalent: Nachhaltigkeit wird verbreitet nicht als Verpflichtung zu einer nachhaltigkeitsgerechten Politik in den Grenzen der ökologischen Leitplanken verstanden, sondern als Umsetzung eines sehr viel weniger anspruchsvollen Drei-Säulen-Modells, bzw. Drei-Dimensionen-Modells, das dem Sinngehalt der nachhaltigen Entwicklung nicht entspricht, denn es übergeht nicht nur den Paradigmenwechsel als Kernidee sondern ersetzt das Leitbild durch nivellierende Vorstellungen über die Gleichzeitigkeit und Gleichgewichtigkeit des ökonomischen, ökologischen und sozialen Bereichs, in der juristischen Praxis durch eine vermeintlich gerechte Belangabwägung. [–]
Die auf der UNO-Ebene initiierte Erarbeitung der Post-2015-Agenda, bzw. Agenda 2030, die im Kern eine zeitaktuelle Konkretisierung des Nachhaltigkeitsgedankens zum Gegenstand hat, ist das umfassendste Vorhaben, das sich die Vereinten Nationen seit der Festlegung jener Ziele gesteckt hat. In der Konferenz der Vereinten Nationen über Nachhaltige Entwicklung (Rio+20) im Juni 2012 wurde mit der Abschlusserklärung „The future we want“ eine erneute Verpflichtung auf das auf den Brundtland-Bericht von 1987 zurückgehende Leitbild der nachhaltigen Entwicklung erreicht. Auch die Post-2015-Agenda soll nach der internationalen Übereinkunft von 2012 die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung berücksichtigen und auf eine Entwicklung ausgerichtet sein, die vor allem extreme Armut und Hunger beseitigt, die natürlichen Lebensgrundlagen bewahrt und mit ökologisch verträglichem Wachstum menschenwürdige Beschäftigung und eine angemessene soziale Sicherung schafft.
Die Moderatoren der zwischenstaatlichen Verhandlungen über die Post-2015-Agenda haben im Juli 2015 den endgültige Entwurf (final draft) für das Abschlussdokument des UN-Gipfel „Transformation unserer Welt die Agenda 2030 für globale Aktionen“ veröffentlicht, welche 17 neue Nachhaltigkeitsziele mit Unterzielen enthält, die das Leitbild der Nachhaltigkeit konkretisieren sollen. Allerdings ist anzunehmen, dass es sich bei der Liste der Nachhaltigkeitsziele insgesamt um eine konkretisierte Utopie handelt, die sich selbst dann in einen Bereich fernab jeder Realität befände, wenn die Welt in einem im großen Ganzen friedlichen Normalzustand wäre.
In Wissenschaft und Politik gehen die Meinungen, wie die Gesellschaft in die Richtung einer nachhaltigen Entwicklung gesteuert werden kann, auseinander. Drei hauptsächliche Steuerungsparadimen konkurrieren miteinander, der ökonomische Steuerungsansatz – Steuerung durch den Markt, der politikwissenschaftliche – Steuerung durch Netzwerke und der juristische – Steuerung durch Recht und Ordnung. In der Praxis dominiert der Letztere. Rechtliche Steuerung ist unumgänglich, denn nachhaltige Entwicklung im globalen und nationalen Kontext kann nicht den Zufälligkeiten und Unwägbarkeiten politischer Programme überlassen sein, zumal die Politik und die politischen Akteure häufig vorrangig unter ökonomischen Aspekten kurzfristig optimale Lösungen zu erreichen suchen, die im Zweifelsfalle nicht oder nicht in erster Linie nachhaltigkeitsgerecht sind. Wenn nachhaltige Entwicklung gelingen soll, ist es unabdingbar erforderlich, nachhaltige Entwicklung über die politisch-programmatische Ebene, über die Deklaration in Programmen und Agenden hinaus, rechtlich wirksam festzuschreiben und in Normen des internationalen und nationalen Rechts zu fixieren.
Im Übrigen erfordert das Nachhaltigkeitsprinzip zwingend – was allerdings in der neuen Post-2015-Agenda unterdrückt und in den neuen Nachhaltigkeitszielen nicht zum Ausdruck gebracht wird – einen Nutzungsverzicht in der Gegenwart zur Sicherstellung der zukünftigen Nutzung der Ressourcen. Nachhaltige Entwicklung ist notwendig und unumgänglich, muss aber die Natur und ihre Organisation in allen Aspekten einbeziehen, denn die Menschen werden nur mit einer so verstandenen nachhaltigen Entwicklung überleben können.