Rheologische Untersuchungen zum Einfluss des TBPMN-Netzwerkes auf die scherinduzierte Kristallisation von Polypropylen
Erscheinungsjahr: 2013
Kunststofferzeugnisse aus Polypropylen besitzen auf Grund der großen Produkt- und Eigenschaftsvielfalt einen enormen Verbreitungsgrad. Als teilkristalliner Thermoplast zeichnet sich isotaktisches Polypropylen (iPP) zudem durch zwei dominierende Kristallmodifikationen (?-iPP und ?-iPP) mit unterschiedlichen Strukturen und Eigenschaften aus. Die Verarbeitungsverfahren erstrecken sich vom Spritzgießen über das Blasformen bis hin zum Tiefziehen und Schweißen. Dabei wird der Kunststoff einer großen Scherdeformation unterworfen, die einen prägenden Einfluss auf die Mikrostruktur und auf die makroskopischen Eigenschaften hat. Eine gleichzeitig zur Abkühlung einwirkende Scherdeformation kann die Kristallisation beschleunigen und Gefügeorientierungen hervorrufen. Der Einsatz und die stetige Verbesserung von Sorbitol-Derivaten als Nukleierungsmittel in iPP ist von hoher technischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Mit ihrer Verwendung wird eine Gefügeverbesserung sowie eine gezielte Beeinflussung der mechanischen und optischen Eigenschaften angestrebt. Ziel dieser Arbeit ist es, für isotaktisches Polypropylen (?-iPP) das Phasenverhalten und die Nukleierungswirkung der aktuellen Sorbitol-Entwicklung 1,2,3-trideoxy-4,6:5,7-bis-O-[(4-propylphenyl)-methylen]-nonitol (TBPMN) eingehend thermodynamisch, rheologisch und röntgenographisch zu charakterisieren. Im Ergebnis konnten thermodynamische und linear-viskoelastische Untersuchungen zur TBPMN-Ausscheidungsdynamik eine graduelle Zunahme der Umwandlungstemperaturen mit steigendem TBPMN-Anteil nachweisen. Ein Optimum von Kristallinität und von Nukleierungseffizenz wird schon bei geringem TBPMN-Gehalt erzielt und eine weitere Konzentrationserhöhung ermöglicht lediglich eine minimale Steigerung der Nukleierungswirkung. Die iPP/TBPMN-Systeme zeichnen sich im Zustand der homogenen Schmelze durch ein identisches linear-viskoelastisches Verhalten aus. Erst bei Erreichen der konzentrationsspezifischen Ausscheidungstemperaturen tritt thermorheologisch komplexes Verhalten auf. Die Fibrillen-Struktur des TBPMNs zeigt sich im van Gurp-Palmen-Plot durch Minima der Gelsteifigkeit. Schon geringe TBPMN-Konzentrationen bewirken eine signifikante Beschleunigung der Kristallisation. Bei Scherdeformationen mit konstanter Scherrate lässt sich für alle nukleierten Systeme ein exponentieller Zusammenhang von Induktionszeit und Scherrate feststellen. Dabei kann durch die Berechnung der Weissenberg-Zahlen für nicht-modifiziertes iPP ein molekularer Bezug für den Übergang von punktförmigen Keimen zu orientieren Kettensegmenten hergestellt werden. Im Gegensatz zu der geringen Konzentrationsabhängigkeit bei Scherung mit konstanter Scherrate führt eine kurzzeitige Scherung zu einer TBPMN-Abhängigkeit mit Potenzcharakter. Die Induktionszeitabnahme erfolgt reziprok proportional zur Nukleierungsmitteloberfläche, so dass die Annahme eines epitaktischen Aufwachsens von iPP auf TBPMN-Fibrillen bestätigt wird. Durch Ex-situ-Weitwinkel-Röntgenbeugung (WAXD) wird eine deutliche Texturbildung in Abhängigkeit vom rheologischen Deformationsprofil nachgewiesen. Eine detaillierte Analyse der kristallographischen Verzweigungsbildung von iPP zeigt, dass diese unabhängig vom Nukleierungsmittel TBPMN und ausschließlich deformationsbestimmt erfolgt.